Abriss und Bilanz meiner Zeit als Stellvertreter des erkrankten Bürgermeisters Heinrich Kemmet

(aus der Gemeinderatssitzung vom 29.09.2008)

Am 21.2. erfahre ich morgens überraschend, dass BM Kemmet erkrankt ist, und ich ihn vertreten solle - es war der Morgen vor der Gemeinderatssitzung: was tun? Praxis, Hausbesuche, Besprechung mit Amtsleitern, wieder Praxis, dann Gemeinderatssitzung mit etwas Lampenfieber, aber alle waren lieb zu mir, auch wenn im Nachgang noch einiger Klärungsbedarf blieb bzgl. Antrag auf Benennung eines Weges in der Gemeinde.

Schon in der Folge dieser Sitzung zeigte es sich, dass das Personal der Gemeindeverwaltung hinter mir stand, aber nicht in dem Sinne, dass es sich hinter mir versteckte, sondern dass ich mich in Fragen aller Art an die zuständigen Fachleute wenden konnte, und wir gemeinsam zu auftauchenden Problemen passende Lösungen erarbeiteten. Besonders hervorheben möchte ich unseren Hauptamtsleiter, Herrn Gabel, Herrn Zeilmeier als Ortsbaumeister und Frau Gnädig, unsere Kämmerin. Diese drei waren in meiner Stellvertreterfunktion am wichtigsten, während im Standesamt, Grundbuchamt, Sozial- und Einwohnermeldeamt sowie Bauhof "Business as usual" lief.

Bis auf eine kaum nennenswerte Unterbrechung meiner Vertretungszeit, als BM Kemmet nach seiner Krankheit die Amtsgeschäfte wieder übernahm und nach 3 Wochen Bürgermeistertätigkeit einen siebenwöchigen Jahresurlaub antrat, der dann in weitere krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit überging, habe ich, tatkräftig unterstützt vom 2. Bürgermeisterstellvertreter, Herrn Hemminger, außer in den Zeiten meines eigenen Urlaubs, die Amtsgeschäfte geführt.

Was war wichtig in diesem Zeitraum? Das kommt natürlich immer auf den Standpunkt an. Als Highlights darf ich nennen (die Reihenfolge bedeutet keine Wertung und ist auch nicht unbedingt chronologisch, außerdem erhebt sie keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

Diese Aufzählung sollte aber dem neu zu wählenden Amtsverweser nicht den Eindruck vermitteln, dass alles getan ist. Wir haben noch etliche offene Baustellen, seien es solche im wahrsten Sinne des Wortes, seien es Aufgaben anderer Art. Als Beispiel die Sanierung des Rathauses - ich hoffe, Herr Winkel ist beim ersten Mal, als er die Treppe zu seinem künftigen Amtszimmer hochstieg, nicht erschrocken. Weiterhin sind noch zu erledigen die GPA-Prüfberichte, die Haushaltsplanung für das kommende Jahr, die Investitionsplanung mit grober Abfolge der Straßensanierungsmaßnahmen, je nach Votum des Gemeinderates Teilnahme am interkommunalen Gewerbegebiet, Radweg nach Ersingen, Sanierung der Grünflächen, Kampf gegen Vandalismus mit Sicherungs- und Überwachungsmaßnahmen und und und... Dass er uns einen seiner Amtsleiter als Amtsverweser zur Verfügung gestellt hat, dafür muss ich unserem Landrat im Namen der Gemeinde herzlich danken. Eine frühere Entscheidung in Richtung Amtsverweser war rechtlich nicht möglich. Nun muss ich doch noch auf einige Dinge zu sprechen kommen, die in der Gemeinde für Gesprächsstoff sorgten:
  1. Trotz vieler, manchmal auch scherzhafter Anfragen: ich habe und hatte nie vor, das Amt eines hauptamtlichen Bürgermeisters anzustreben. Ich habe die Vertretung durchaus gerne gemacht, die Zusammenarbeit mit allen Mitarbeitern war unproblematisch, ja, eher angenehm. Vom Gefühl her war es einerseits nach dem Motto: wie man in den Wald hineinruft, schallt es auch heraus, andererseits versuchte ich, trotz beengtem Zeitrahmen ansprechbar zu sein, früh pünktlich im Rathaus nach dem Neuesten und Wichtigsten zu sehen. Ich danke Ihnen, meine lieben Gemeinderatskolleginnen und -kollegen, und auch meinen Mitarbeitern im Rathaus und Bauhof für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Ich danke besonders Herrn Hemminger, dass er mich während meine Urlaubs vertreten hat, und dass er sein Wissen und seine Erfahrung, besonders wenn es um Baumaßnahmen ging, der Gemeinde zur Verfügung gestellt hat. Gerade im Urlaub unseres Ortsbaumeisters war ich dafür sehr dankbar. Bei den zwei Personalversammlungen habe ich und auch die anwesenden Gemeinderäte ein Gefühl der Zusammengehörigkeit mit den Mitarbeitern der Gemeinde gefühlt - wir alle ziehen an einem Tau; an diesem Tau ziehen wir gemeinsam das Gemeindeschiff durch Strudel und Stromschnellen, und, so sollte es sein, an der Spitze der Rathauschef. Wenn nun einer aus der Mannschaft ausfällt, müssen die anderen umso mehr ziehen oder Ersatzleute einspringen, wie jetzt bedingt durch Urlaub und Krankheit, wo kurzfristige Umsetzungen mit dem Einverständnis der Betroffenen ein funktionierendes Rathaus möglich machten. Sogar ein Pensionär wurde schnell reaktiviert zur Hilfe bei den Baumaßnahmen in der Schule. Ein weiteres Beispiel: eines Freitags nachmittags, weit nach Dienstschluss, kam ich ins Rathaus, um noch zu Unterschriften zu leisten. Wen fand ich arbeitend in seinem Dienstzimmer: Herrn Gabel! Während eines kurzen Gespräches kam ein Anruf: Herr Karl-Heinz Habmann, Bruder unseres im Urlaub weilenden Bauhofchefs, meldete, dass im Schwimmbad eine Anzeige rot leuchtete. Herr Gabel klärte das Problem außerhalb seiner Dienstzeit. Ich denke, dazu macht sich jeder seine eigenen Gedanken, aber meine sind: wenn jeder hier im Hause eine entsprechende Dienstauffassung, Pflichtbewusstsein und vielleicht noch Mitarbeiterführung an den Tag gelegt hätte, dann hätte ich nicht 6 Monate Bürgermeistervertretung machen müssen. Wenn sich dann noch unsere Mitbürger um das Wohl der Gemeinde und das Gemeindeeigentum - unser aller Eigentum - Sorgen machen, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Mit ihnen allen gemeinsam habe ich versucht, das Gemeindeschiff weiter zu ziehen und auf Kurs zu halten, aber jetzt muss ein Profi ran, der z.B. auch auswärtige Termine tagsüber wahrnehmen kann.

  2. Zum Thema Mobbing: ich stehe hundertprozentig hinter dem Hilfeschrei, denn als solchen habe ich das Schreiben des Personalrats wahrgenommen. Es kann nicht sein, dass einem Mobbing vorgeworfen wird, wenn man von seinem Vorgesetzten die Erfüllung seiner Pflichten als Rathauschef einfordert.

Ich empfehle allen Bürgermeistern, Stellvertretern oder Kandidaten: gehen Sie offen auf Ihre Mitarbeiter zu, aber verlangen Sie nichts, das Sie sich nicht selber zumuten würden. Seien Sie in Haltung, Pflichterfüllung und Zuverlässigkeit ein Vorbild, diese sogenannten Sekundärtugenden machten den preußischen Verwaltungsstaat zu einem Erfolgsmodell, und ein bisschen mehr Preußen würde unserem heutigen Staat durchaus zur Ehre gereichen.

Falls ich im Zuge meiner Amtsführung jemanden, sei es Gemeinderat, Verwaltungspersonal oder Mitbürger mit meiner durch fast 25 Jahre selbstständiger und vorher 10 Jahre militärischer Tätigkeit geprägten, auf zügige Entscheidungen drängenden Art, verletzt haben sollte, dann tut es mir leid. Jetzt, gegen Ende (voraussichtlich) meiner Vertretungszeit, muss ich sagen, trotz der erheblichen Zusatzbelastung für mich, für meine Frau und auch für meine Praxistätigkeit, bin ich dankbar für die Erfahrungen, die ich in diesem halben Jahr machen durfte - seien es vertiefte Einblicke in das Wesen unserer Gemeindeverwaltung, seien es die menschlichen Aspekte im miteinander Arbeiten mit Gemeinderat und Verwaltung. Ihnen allen gilt hiermit noch einmal mein Dank!

Dr. Wolfgang Ballarin